Alles wirkliche Leben ist Begegnung
So kurz und prägnant dieses Zitat des Religionsphilosophen Martin Buber auch ist, so drückt es doch sehr eindringlich aus, worauf es im Leben wirklich ankommt, nämlich auf die Begegnung und das Miteinander in einer Gemeinschaft. Vielleicht sollten wir uns diesen Satz gerade heutzutage immer mal wieder ins Gedächtnis rufen, damit wir über all den Fortschritten und technischen Errungenschaften, die inzwischen unseren Alltag prägen, eines nicht vergessen, und zwar den Menschen – das Menschsein in allen Bereichen des Lebens, vor allem jedoch in der Schule, in der Kita und im Kindergarten. Daher möchte ich mir hier die Freiheit nehmen, Martin Bubers Zitat noch um einen weiteren Satz zu ergänzen: „Jedes wirkliche Lernen ist Beziehung.“. Ganz ohne Zweifel spielen die Lehrmethoden, das Unterrichtsmaterial, die Ausstattung in den Schulen und die Lernumgebung beim Lernen eine nicht unerhebliche Rolle, aber steht und fällt letztendlich nicht die Qualität des Unterrichts mit der Lehrerin oder dem Lehrer? Ist es nicht gerade die Begegnung zwischen Lehrer und Schülern und zwischen den Schülern untereinander, die erst ein gutes Lernklima in der Klasse entstehen lässt?
Was ist denn nun eigentlich Begegnung?
Begegnung findet tatsächlich in allen Bereichen unseres Lebens statt. Beispielsweise begegnen wir möglicherweise jemandem zufällig auf der Straße, begegnen wir in unserem Leben den unterschiedlichsten Menschen. Dabei spielt es immer eine bedeutsame Rolle, wie wir unseren Mitmenschen begegnen, ob wir ihnen auch Achtung und Wertschätzung entgegenbringen. Einerseits beschreibt das Wort Begegnung also etwas eher Zufälliges, Flüchtiges, andererseits bedeutet es ebenfalls, jemandem wirklich zu begegnen, d.h. ihn in seiner ganzen Persönlichkeit wahrzunehmen, zu sehen und anzuerkennen. Diese Begegnung sowie Respekt und Wertschätzung brauchen Erwachsene, Kinder, ja sogar Babys gleichermaßen, damit sie sich entwickeln und persönlich wachsen und ihre Begabungen und Talente zur Entfaltung bringen können.
Wir wollen geliebt werden
Was aber, wenn Kinder durchs Raster fallen, wenn keiner sie sieht, wenn keiner ihre Talente und Begabungen fördert, ihnen in schwierigen Situationen beisteht oder sie im Umgang mit ihren Schwächen unterstützt? Möglicherweise schlagen sich diese Kinder später als Erwachsene mehr oder weniger entmutigt, desillusioniert und unzufrieden durchs Leben oder sie werden depressiv, alkoholabhängig oder kriminell, wenn sie in eine Abwärtsspirale geraten und schlussendlich für sich keinerlei Perspektiven mehr sehen und keine Hoffnung mehr haben.
Man will geliebt werden.
Wenn das nicht gelingt,
will man bewundert werden.
Wenn das nicht gelingt,
will man gefürchtet werden.
Gelingt das auch nicht,
will man verabscheut und verachtet werden.
Der Seele graut es vor der Leere
und sie muss Kontakt herstellen,
koste es, was es wolle.
Hjalmar Söderberg
Eine Prise Hoffnung, ein Quäntchen Vertrauen, ein Hauch von Mut?
Können wir etwas tun, damit es erst gar nicht soweit kommt? Und wenn ja was bzw. wer? Sind es nicht in erster Linie die Eltern bzw. die Erziehungsberechtigten, die für ihre Kinder verantwortlich sind? Allerdings sollten wir keinesfalls außer Acht lassen, dass auch Lehrer großen Einfluss auf ihre Schüler nehmen und etwas zum Positiven verändern können. Nur wie soll das gehen bei all den Missständen in unseren Bildungseinrichtungen, wie z.B. Lehrermangel, Überforderung der Pädagogen, zu großen Klassen und teilweise ungenügender Ausstattung usw., die ja inzwischen allgemein bekannt sind und überall ausführlich diskutiert werden. Was kann ein einzelner Lehrer oder ein einzelner Pädagoge gegen ein teilweise veraltetes Schulsystem, in dem manchmal Noten wichtiger sind als die Kinder und Jugendlichen selbst, ausrichten oder kämpft er eher als eine Art Don Quijote gegen die Windmühlen unseres Schulsystems an, brennt langsam aus und verliert allmählich jegliche Hoffnung, jegliches Vertrauen und jeglichen Mut?
Für ein Miteinander in Schule und Gesellschaft auf Augenhöhe
„Mut machen möchte ich aktiven und zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern für diesen „Wunder-vollen“ Beruf. Wunder gibt es nämlich immer wieder nicht nur im Schlagertext, sondern gerade im Erleben mit Schülerinnen und Schülern.“ (Barbara Maria Bittner, aus dem Buch (S. 7)
Wie könnte das also ausschauen, wenn der einzelne Lehrer sich von all diesen Hindernissen und Problemen nicht entmutigen lässt, sondern vielmehr die Begegnung mit den Kindern und ein Miteinander auf Augenhöhe in den Vordergrund stellt, d.h. seinen Schülerinnen und Schülern mit einer Grundhaltung von Wertschätzung, Respekt und Neugierde begegnet?
Hinschauen, hinhören, hinspüren
Dafür braucht es vor allem Achtsamkeit, um die Individualität des Einzelnen, seine Stärken und Schwächen erfassen und begreifen zu können, um den Schüler zu beobachten, ohne ihn zu werten. Der Lehrer agiert sozusagen als eine Art Schatzgräber, der sich daran macht, die Schätze seines Schülers, seine Begabungen und Talente zu heben. Als nächsten Schritt gilt es dann, diesem Potenzial Raum für die Entfaltung zu geben und dem Schüler behutsam ein Bild aufzuzeigen, das in ihm eigene Bilder erweckt, so dass er sich beim Lernen immer mehr an seinen eigenen Ressourcen orientiert. Nehmen wir hier einmal zum Beispiel einen Legastheniker: Für diesen ist es natürlich auch wichtig, lesen und schreiben zu lernen, wobei es aber noch viel entscheidender ist, dass er bei diesem Prozess nicht sein Selbstwertgefühl verliert und Mittel und Wege findet, wie er mit dieser Beeinträchtigung umgehen und Kraft aus seinen eigenen Ressourcen schöpfen kann.
Lernen aus Fehlern und in der Gemeinschaft
Aber auch ein Scheitern ist erlaubt, es muss nicht alles gleich auf Anhieb funktionieren, sondern es geht vielmehr darum, dass der Schüler einübt, immer wieder aufzustehen und weiterzumachen. Selbstverständlich gibt der Lehrer dabei die nötigen Hilfestellungen und ermutigt seinen Schützling, u.a. fragt er auch gezielt nach, was der Schüler seiner Meinung nach braucht. Jedoch auch der Schüler ist gefordert, seinen Beitrag zum Gelingen zu leisten und nach und nach immer mehr Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Was das Gemeinschaftsgefühl betrifft, so besteht das Ziel darin, in der Klasse eine Atmosphäre des Vertrauens und Selbstvertrauens aufzubauen. Warum also nicht einmal ein Theaterstück einüben und aufführen, bei dem sich jeder Schüler mit seinen Talenten einbringt, und so gleichzeitig das Miteinander und die Zusammenarbeit in der Klasse gestärkt wird?
Jedem, der mit dem Gedanken spielt, diesen Weg einzuschlagen, und dabei vielleicht auf das eine oder andere Wunder hofft, möchte ich hier wärmstens das Buch „Schön, dass Du da bist! Für ein Miteinander in einer Schule auf Augenhöhe.“ von der ehemaligen Grund- und Hauptschullehrerin Barbara Maria Bittner ans Herz legen. Lassen Sie sich von ihren Geschichten der Begegnung und des Miteinanders inspirieren und mitreißen!
Verfasst von Karin Rahmann-Wende, Barbara Bittner und Monika Nather
Um dieses Buch handelt es sich:
Barbara Maria Bittner „Schön, dass Du da bist! Für ein Miteinander in einer Schule auf Augenhöhe“, Telescope Verlag, 2025 – ISBN: 9783959151603
Fazit von Alexandra
Dieses Buch liest sich leicht. Immer wieder hielt ich inne, da ich so berührt war und mir selbst solche Situationen vor Augen kamen. Auch immer wieder spürte ich solche Ehrfurcht vor den Päckchen der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Barbara Bittner versteht es zu berühren und auch ganz ehrlich aus dem Alltag zu erzählen. Ich wünschte mir, das Buch lesen viele Pädagogen. Die einen, um in ihrem Handeln bestätigt und weiterhin ermutigt zu werden. Die anderen um Beispiele zu haben, wie Haltung in der Schule wirkt.
Danke für diese Inspirationen. – Eine herzliche Empfehlung für alle Menschen, die mit jungen Menschen zu tun haben.


