Gamifi… – was? Muss das sein? Was ist das überhaupt?
Mit Monika Hochholzer verbinden mich Begegnungen auf mehreren Ebenen. Ich bin sehr froh, diese junge Frau zu kennen und mit ihr auf diesen „Ebenen tanzen zu dürfen“. Durch ein LernCoaching lernte ich sie kennen. Inzwischen hat sie Abitur gemacht und ihr Fernstudium der Psychologie abgeschlossen. Immer wieder unterhalten wir uns auch über ihre vielfältigen Lernerfahrungen. Eine Idee, wie sie sich Innovationen vorstellen kann, schildert sie in diesem Artikel:
Die Debatte um die Nutzung von Smartphones und Tablets durch Kinder wird inzwischen nicht mehr nur in der Forschung und angewandten Pädagogik geführt, sondern ist auch in den einzelnen Familien angekommen. Im Bereich der Bildung dagegen bleibt das Potenzial immer noch nahezu unberücksichtigt.
Wie wird Digitalisierung in Schulen gelebt?
Häufig beschränkt sich die Anwendung von technischen Mitteln im Unterricht auch im Jahr 2019 in vielen Schulen noch auf einzelne Laptop- oder Ipadklassen. Zudem wird auch die inhaltliche Vielfalt der möglichen Anwendungen meist auf die Vermittlung von grundlegenden Medienkompetenzen reduziert, während sich gleichzeitig der Markt im Bereich der Spieleentwicklung rasant weiterentwickelt.
Eine gut geplante und pädagogisch, wie didaktisch, sinnvoll ausgearbeitete Verknüpfung der Bildung mit den neuen Medien sowie spieltechnischen Elementen, könnte eine enorme Verbesserung des Unterrichts in Schulen und Universitäten bedeuten. Das Schlagwort dazu ist Gamification. Weiter könnte sie dafür sorgen, dass die deutsche Bildungslandschaft sich auch langfristig international behaupten kann.
In den Schulen wird zumeist noch ausschließlich mit (veralteten) Lehrbüchern gearbeitet, denen man die Nutzung durch mehrere Schülergenerationen bereits deutlich anmerkt. Medien wie Onlinelexika und Youtube-Videos zu verschiedenen Unterrichtsinhalten werden von Schülern wie Studenten immer selbstverständlicher zur Vertiefung und zum Verständnis herangezogen. In der Konsequenz bildet sich seit Jahren eine Art parallele Bildungsumgebung. Diese sorgt zwar in vielen Fällen für eine tiefere Auseinandersetzung und das eine oder andere „AHA-Erlebnis“, wenn Inhalte, die im Unterricht nicht verstanden wurden nun deutlicher werden. Gleichzeitig wird jedoch auch vielfach fehlerhafte Informationen vermittelt, ohne dass es eine übergeordnete Kontrollinstanz gibt oder die Fehler für die Schüler selbst erkennbar sind. Erfolgt hier auch in Zukunft keine wesentliche Umstrukturierung der Bildung, wird sich diese Spaltung möglicherweise noch weiter ausdehnen. Dies hätte zur Folge, dass der Bildungsauftrag des Staates durch die Intervention vieler kleiner Interessensgruppen völlig unkontrollierbar aufgeweicht würde.
Was durch Gamification möglich wäre
Eine Integration von Spieleelementen in Form einer bundesweit einheitlichen Software in die Bildung hätte viele wesentliche Vorteile. Neben der längst überfälligen Vereinheitlichung der Lehrpläne in den Bundesländern, könnten die Schüler durch die eigene Anwendung am Laptop bei einer vertieften kognitiven Verarbeitung unterstützt werden. Das Lernen würde individualisierbarer (inhaltlich, zeitlich und räumlich), ohne dass sich daraus eine zusätzliche Belastung für die Lehrkräfte ergibt und könnten so wieder allen Schüler auf ihrem Entwicklungsstand begegnen.
Statt auf die spielenden Jugendlichen zu schimpfen und die Spiele zu verteufeln, wären Bildungsverantwortliche gut beraten, sich die Systematik der Spiele einmal genauer zu betrachten. Was hält die jungen User mit einer immensen Ausdauer an der Stange? Was motiviert sie, sich damit zu beschäftigen? Welche Fähigkeiten eignen sie sich damit an? Was wird von ihnen gefordert?
In den Antworten finden sich die berühmten Schlagworte wie: Motivation, Ausdauer, Konzentration, konstruktives Denken, Lösungsstrategien, Teamwork, Schnelligkeit, Aufmerksamkeit, Kommunikation, Absprachen… und noch mehr.
Ein solches Programm könnte verschiede Formen der Wissensvermittlung in verschiedenen Arten von Spielen mit kleineren Tests kombinieren. Hierdurch würden unterschiedliche Kanäle für das Lernen genutzt und durch sich wiederholende adaptive Testungen nachhaltig verankert. Der Schüler würde unmittelbare und individuelle Rückmeldungen über seinen Lernverlauf erhalten und automatisiert solche Inhalte wiederholen, die noch lückenhaft waren.
Veränderung von Sichtweisen
Dadurch würde sich der Fokus einerseits mehr vom Lehrer als eine externe Person, die ein bestimmtes Verhalten vom Schüler fordert, hin zur eigenen Lernentwicklung verschieben.
Andererseits führt eine Veränderung des Referenzrahmens weg vom sozialen Vergleich mit der Leistung der Mitschüler und hin zum intraindividuellen Vergleich mit der eigenen Leistung im Zeitverlauf zu einem gleichermaßen effektiven Wissenszuwachs. Im Gegensatz zum sozialen Vergleich hat dieser keine Einbußen in Bezug auf die eigene Fähigkeitseinschätzung zur Folge. Würde man ein solches Programm ausbildungsbegleitend, also quasi „mitwachsend“ für verschiedene Schultypen konzipieren, könnten die Schüler eigenständig auf die Inhalte früherer Jahrgangsstufen zugreifen und auf diesem Weg Themen wiederholen, die wieder vergessen wurden.
Was könnte alles passieren, wenn die Konzeption vorsieht, dass die jeweiligen Fachlehrer, ebenso wie die Eltern Einblick in den Account des betreffenden Schülers nehmen und so die individuelle Lernentwicklung unterstützend begleiten können?
Durch grobe zeitliche Vorgaben, die vom jeweiligen Lehrer in Form von zu erreichenden Meilensteinen vorgegeben werden könnten, können zwei wichtige Ziele erreicht werden: die Schüler einerseits könnten in ihrer Autonomieentwicklung unterstützt werden, wenn sie sich einen eigenen Zeitplan erstellen und sich selbst strukturieren müssen. Andererseits kann aber auch sichergestellt werden, dass die wesentlichen Inhalte des Lehrplans von allen Schülern verinnerlicht wurden. Auf diesem Wege würde die Motivation der Schüler durch eine Erweiterung ihrer Eigenverantwortung gestärkt und darüber hinaus die wesentlichen Basiskompetenzen, die für eine eigene Strukturierung erforderlich sind, erlernt.
Ist so viel Innovation gewünscht?
Zudem könnten neue Inhalte, die Eingang in die Lehrpläne gefunden haben, in Form von neu freigeschalteten Levels oder Modulen, wesentlich schneller und unkomplizierter an die Schüler vermittelt werden, was in einer Welt, die sich gerade im technischen Bereich rasant verändert, von Vorteil ist.
Und auch wenn es im deutschen Bildungssystem ein ungeschriebenes Gesetz zu geben scheint, dass Lernen keinen Spaß machen darf, ist davon auszugehen, dass von einer Form von Lernen, die es schafft gleichzeitig Wissen und Spaß zu vermitteln alle Beteiligten nur profitieren können. Denn schlussendlich sind Neugier und Spaß die Triebfedern jeder gesunden menschlichen Entwicklung und in uns allen angelegt, man muss nur ausreichend Raum dafür lassen. Gamification wäre eine Möglichkeit dazu.
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Ein Gastbeitrag von Monika Hochholzer. – Vielen Dank dafür!