Mach deine Probleme zur Geschichte

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Raus aus der Problemgeschichte

5 Ideen um Problem-Geschichten abzuändern

„Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält“

Max Frisch, Mein Name sei Gantenbein

Wir alle erzählen ständig Geschichten über uns oder andere oder bestimmte Situationen – egal ob laut oder nur in unseren Gedanken. Was aber, wenn unter diesen Geschichten eine Problem-Geschichte ist, die uns runterzieht und uns ausbremst oder uns von dem abhält, was wir eigentlich gerade vorhaben?

Max zum Beispiel verfällt immer in die gleiche Geschichte über Mathematik: „Jetzt lernen wir schon wieder so einen neuen Mist! Irgendwas mit Parabeln oder so. Binomische Formeln kommen da auch wieder vor, die hab‘ ich damals schon nicht verstanden. Überhaupt, wer brauch den Kram schon! Ich will doch später eh nix mehr damit zu tun haben … das ist doch bloß da, um uns fertig zu machen. Wenn ich Herrn Schmidt schon wieder sehe … der genießt das doch richtig, mir ne 5 reinzudrücken…“

Oder Mia: „Ich kann mich einfach nicht konzentrieren! Immer, wenn ich lernen will, blinkt mein Handy und ich muss einfach draufschauen, was da los ist. Schließlich hat Nils ja gerade mit Karo Schluss gemacht. Clara hat das gerade geschrieben … dieser Mistkerl! Wie kann der Karo nur alleine lassen?! Der denkt wohl, wir wären alle nur so was wie seine Rolex, die man mal eben ab- und anstreift …“

Was würde passieren, wenn du das änderst?

An dieser Stelle setzt der narrative Ansatz in der systemischen Beratung ein, in dem es darum geht, solche wiederkehrenden Geschichten bewusst einmal anders zu erzählen. Auf diese Art und Weise wird eine distanziertere Haltung eingenommen und so der Raum für neue Ideen und Lösungen geöffnet.

Gerade in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist das ein vielversprechender Ansatz, da Kinder einerseits (noch) viel Fantasie haben und Jugendliche andererseits gerade im Deutschunterricht viel über erzählerische Mittel lernen. Dadurch lässt sich das „Fachwissen“ der Coachees prima dafür nutzen, die Perspektive auf eine eigene problematische Erzählung abzuändern.

Ein paar Ideen:

Welche erzählerischen Mittel kennen wir also aus dem Deutschunterricht und wie können wir diese einsetzen?

  • Die Erzählperspektive: Wenn wir über eines unserer Probleme reden, dann ja meist in der Ich-Form, was zu einer starken Identifikation mit dem Problem führt. Was passiert aber, wenn wir die Geschichte aus der Sicht einer dritten Person erzählen, z.B. aus der eines guten Freundes? Wenn es darum geht, mehr bei den Fakten als bei den Bewertungen zu bleiben, bietet es sich auch an, einen auktorialen oder neutralen Erzähler zu verwenden, der noch mehr Distanz zu dem Geschehen hat. Max könnte also z.B. seinen Kumpel erzählen lassen: „Immer wenn es um Mathe geht, geht bei Max die gleiche Leier los. Der Lehrer sei doof, man könne das eh nicht verstehen und brauche das später nie wieder.“ Oder mit ein auktorialer Erzähler in Bezug auf Mia: „Das Mädchen wollte lernen. Doch ständig blinkte das Handy auf und sie griff danach. Sie musste einfach wissen, was los war, um mitreden zu können …“
  • Die Erzählebene: Wie wäre es, die Geschichte in eine andere Rahmenhandlung einzubetten? Mia könnte sich zum Beispiel vorstellen, auf Karos Hochzeit mit ihr über die Schulzeit zu reden: „Weißt du noch damals, wir dachten ja wirklich, dass Nils ein toller Typ sei. Jedes Mädchen wollte mit ihm zusammen sein … und heute?! Er hat immer noch ständig wechselnde Freundinnen und wird wahrscheinlich nie heiraten.“
  • Die Erzählzeit: Oft erzählen wir lang und breit, was alles schwierig und schief gelaufen ist. Lässt sich da vielleicht etwas kürzen? So dass die Zeit, in der wir die Geschichte erzählen auf ein Minimum reduziert wird? Was bleibt dann als Kern des Problems übrig und lässt sich das vielleicht einfacher lösen als mit dem ganzen zusätzlichen Ballast? Also zum Beispiel in Max Fall: „Wir haben ein neues Thema in Mathe angefangen und ich verstehe es nicht.“
  • Die Erzählsprache: Eine weitere Möglichkeit, um eine humorvolle Distanz aufzubauen ist, die Geschichte nicht in der gewohnten Sprache zu erzählen. Wie wäre es also z.B. mit Englisch? Oder in einem Dialekt oder Slang? Gerade Jugendliche können hier zu Höchstform auflaufen! „I hate this math stuff! It ain’t good for nothing. My bro got really rich without parabolas … or whatever they are called in English.“ oder „Ich wollte mich meinen Studien hingeben, als mich eine elektronische Notiz erreichte, dass die ehrenwerte Karoline nicht länger von dem Herren Nils hofiert würde.“
  • Die Figurenkonstellation: Wenn es mit den aktuell beteiligten Figuren nicht voran geht … wer fehlt da noch? Wen könnte man hinzuziehen, damit die Geschichte eine positive Wendung nimmt? Und vielleicht kommt dabei ja eine Idee auf, was man selbst tun könnte, damit das Problem kein Problem mehr bleibt… Also z.B.: Plötzlich kam Harry Styles in den Raum und nahm Mias Handy. „Lern du in Ruhe weiter, ich sprech mal mit Nils und erklär ihm, wie man mit Mädels umgeht.“ Ganz beruhigt konnte sie weiterlernen, da sie nun wusste, dass alles gut werden würde. Erst als sie nach einer halben Stunde eine Vokabel im Internet nachschauen wollte, fiel ihr ein, dass ihr Handy ja gar nicht mehr da war …

Fällt dir noch etwas ganz anderes ein?

Im Coaching ist es natürlich wichtig, dem Coachee nichts überzustülpen, sondern mit ihm oder ihr gemeinsam zu schauen, welche Ideen selbst eingebracht werden. Es gibt bestimmt auch noch weitere Stellschrauben als die genannten … also viel Spaß beim Ausprobieren! Vielleicht habt Ihr ja auch selbst solch eine Geschichte, die Ihr immer wieder erzählt und habt Lust sie einmal umzuschreiben. Alexandra und ich freuen uns über Rückmeldungen – oder noch besser – über Einsendungen kreativ umgeschriebener Problem-Geschichten!

Vielen Dank an meinen Gastautor Michael Bohn. Er ist promovierter Mathematiker und unterstützt in seinem Lernstudio in Bonn Schüler und Studenten. Ich lernte ihn über Instagram kennen und schätze seine Ideen und Impulse sehr! Daher habe ich ihn gebeten, diesen Gastartikel für die Hundert Welten zu schreiben. So bekommst du auch einmal einen anderen Impuls!

Natürlich ist er auch bei facebook zu finden.

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