Zeugnis – doch was sagt es eigentlich wirklich aus?

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Sommerzeit - Notenzeit

Endlich Sommerferien – doch vorher noch ein Zeugnis – Noten …

Mitte Juli. Sommer in Deutschland. Manche Bundesländer haben schon Ferien, andere fiebern dem Schuljahresende entgegen. Was auf jeden Schüler jedoch überall wartet: Das Zeugnis. An den meisten Schulen mit Ziffernnoten, andere Schulen stellen das Erreichte anders dar. Darüber wird in der Bildungslandschaft viel gestritten. Und dann höre ich immer „Aber alle wollen Noten.“ – Nein, alle wollen GUTE Noten! Doch was sagen diese Ziffern aus? Darüber diskutiere ich immer gerne. Gerade heute bestätigte mir eine liebe Kollegin einer ersten Jahrgangsstufe, wie sehr sie die „Lernstandsgespräche“ liebt. Sie sind so viel aussagekräftiger und man kommt miteinander ins Gespräch.

Generell gibt es um diese Zeit immer Empfehlungen, wie mit den (schlechten) Noten umgegangen werden soll oder wohin sich frustrierte und verängstigte Kinder und Eltern wenden können.

Das Lied von Reinhard Mey berührt mich zu diesem Thema immer wieder!

Schüler und Schülerinnen mit schlechten Noten – und wenn es nur Einzelne sind –  fühlen sich oft als komplette Versager. Selbst wenn sie nur die eigenen Ansprüche nicht erreicht haben fühlen sie sich schlecht. Muss das sein? Was haben wir alle (als Gemeinschaft) davon? Motivation? Nein, sicher nicht!

Über das ganze Jahr herrscht Angst und Druck um die Noten. Angst, nicht gut genug zu sein, nicht zu genügen. Share on X

Druck, unbedingt gute Noten zu schreiben um Erwartungen zu erfüllen und das Jahr zu bestehen.

Noten werden ja auch Zensuren genannt. Zensur bedeutet aber auch „Informationskontrolle“ ;) – Ein Schelm, wer Böses denkt!

Was sagen die Ziffern von 1 – 6 eigentlich aus?

Das kennen wir alle: 1 = sehr gut, 2 = gut, usw. D.h. die Ziffer ist eine Kategorie, eine Schublade.

Es gibt schriftliche und mündliche Noten, Lehrer können auch Noten zur Mitarbeit geben. Wann immer WISSEN abgefragt wird sagt die Note aus, wie der Schüler in DIESEM Moment auf sein Wissen zurück greifen, bzw. es anwenden, oder für den Lehrer verständlich (gemäß der Musterlösung) wieder geben konnte. Diese punktuelle Leistung wird dann aber in Relation zur Vergleichsgruppe gesetzt. Und dann gibt es noch die Vorgabe, dass Tests weder zu gut, noch zu schlecht ausfallen dürfen. Damit das nicht passiert, wird schon mal am Notenschlüssel gedreht. :/

„Und, was sagt eine Note dann aus? Sagt sie aus, wie der Lernprozess des Schülers verlief? Sagt sie aus, ob er sich in seiner persönlichen Leistung gesteigert hat oder ob er sich anstrengen musste?“

Was passiert, wenn der Schüler den Stoff ein paar Tage später verinnerlicht hat? DANN steht die schlechte Note schon im Buch!

Ziffern sagen nichts über die Persönlichkeit und die Neigungen oder Talente eines Menschen aus. Doch schlechte Noten wirken sich auf die Persönlichkeit aus!

Gute Noten sagen: alles passt… lehn dich zurück. Sie bauen den Selbstwert auf, weil man ja eine (sehr) gute Leistung bewiesen hat. Uns wird in den Schulen beigebracht, uns über unsere Leistung, die messbar und vergleichbar gemacht wurde, zu definieren. – Das halte ich für eine fatale Fehlentwicklung.

Schlechte Noten sagen: Du hast es nicht drauf! Du hast dich nicht genügend angestrengt, du bist faul oder/und dumm. Sie machen den Selbstwert kaputt und das leider auf ganzer Persönlichkeitslinie! Das Gefühl nicht zu genügen brennt sich ein. – Auch wenn schlechte Noten nach außen hin cool genommen werden, innen brodelt und bröckelt es. Wie soll man so neugierig auf Neues zu gehen oder „besser“ lernen?

Noten sind alles andere als objektiv!

Noten gibt es um die Vergleichbarkeit zu gewähren. AHA. BeWERTet wird damit eine Leistung, die erbracht wird. Sie muss in ein vorgegebenes Schema passen.

Das klingt gerecht. Es wird durch keine individuelle Eigenheit beeinflusst. Das ist der Plan, die Theorie, doch die Praxis sieht ganz anders aus.

Es wird nicht berücksichtigt:

  • ob genügend Zeit zur Verinnerlichung und Übung zur Verfügung stand
  • ob der Lernstoff typgerecht erklärt wurde
  • ob der Schüler in diesem Moment wirklich leistungsfähig war (Wie war seine emotionale Verfassung? Was ist vorher vorgefallen? Liegt eine Krankheit vor?)
  • wie die Prüfungssituation war
  • wie die Beziehung zum Lehrer ist

Auch gibt es Untersuchungen, dass die Verfassung des Lehrers bei der Korrektur Einfluss auf die Noten hat. Sogar die Reihenfolge der Bearbeitung der einzelnen Tests und die Beziehung zum Schüler.

Also ist die angebliche Objektivität reine Augenwischerei! Auch hier die berühmte Gleichmacherei. Menschen, Kinder, Jugendliche sind keine Maschinen.

Aber wir brauchen halt Noten …

Höre ich immer wieder. „Sonst würde ja niemand mehr was lernen!“ – Genau!

Das Leistungssystem der Noten hat die natürliche Lernneugierde der Kinder zerstört. Share on X

Die natürliche Anstrengungsbereitschaft der Kinder wurde konditioniert. „Ich strenge mich nur an, wenn ich eine gute Note bekomme. Wenn nicht, mach ich auch nichts.“ Sehr traurig!

Ohne Noten wüssten wir ja nicht, wer für’s Gymnasium geeignet ist. Und da können nun mal nicht alle hin. Wir brauchen ja auch noch Handwerker! – Solche Aussagen verursachen bei mir grüne Pickel!

Noten brauchen wir also zur Selektion? Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen! Share on X

Doppelter Lerneffekt: Habe ich eine schlechte Note, bin ich nichts wert und werde aussortiert. Und das in einer „Leistungsgesellschaft“? – Die Leistung wünscht und braucht? Da höre ich die Befürworter gleich wieder: „Ja, das spornt doch an!“

Und dann gibt es Noten noch zur Disziplinierung. Immer wieder höre ich: „Irgend ein Druckmittel brauch ich ja noch, sie zur Ruhe zu bringen!“ Hmmmm …

Sogar in einem Gerichtsurteil heißt es, dass „Noten eher aus pädagogischen Gesichtspunkten…“ gegeben werden sollen (hier bei der Durchschnittserrechnung). Also doch keine objektive Leistungsbewertung?

Was wäre die Alternative?

Bereits 2012 habe ich mich über Noten ausgelassen: „Noten sind nicht einfach nur Ziffern – sie entscheiden über Glück oder Unglück“.

Es geht auch ohne Noten. Dabei sage ich nicht, dass es keine Rückmeldung auf Arbeitsergebnisse geben soll. Im Gegenteil. Rückmeldung auf das konkrete Verhalten, die Leistungs- und Anstrengungsbereitschaft brauchen wir um zu wachsen. Weiterentwicklung kann nur geschehen, wenn wir das bisher erreichte überprüfen und unseren Weg zum Ziel entsprechend anpassen. Das kann in Selbstreflexion passieren oder auch durch Feedback von außen.

In Montessori-Schulen gibt es z.B. ausführliche Rückmeldungen durch das IzEL. Die Information zum Entwicklungs- und Lernprozess ist differenziert in Themen und Lernbereiche gegliedert und enthält einen persönlichen Brief (Entwicklungsbericht) für das Kind. Hier wird das Kind mit sich selbst verglichen und nicht mit anderen Kindern.

Rückmeldung muss nicht so passieren, aber es muss sie geben. Doch ob unbedingt in Ziffern stelle ich wirklich ernsthaft in Frage. – Zum Glück kommt das doch mehr und mehr an und wird auch im Regelsystem umgesetzt.

Was tun bei schlechten Noten?

Natürlich möchte ich es nicht versäumen auch hier einen Impuls zu geben…. ;)

Schlechte Noten brauchen nicht mehr schlecht gemacht zu werden. Das Kind weiß sofort, dass es keine Glanzleistung vollbracht hat.

Reflektieren Sie mit Ihrem Kind, wie es dazu gekommen ist. Was es in Zukunft anders (nicht besser!) machen könnte. Braucht es Hilfe und Unterstützung? Nachhilfe oder besser LernCoaching? Dazu habe ich auf diesem Blog schon einige Artikel verfasst. Die Sammlung finden Sie im Themenbereich „Hindernisse“ oder Suchen Sie in der Schlagwörterwolke.

Nehmen Sie Ihr Kind in den Arm und finden Sie mit ihm gemeinsam eine Lösung! Nicht immer hilft mehr Lernen!

Noch eine Frage zum Schluss…. Wie war denn IHR Zeugnis?
Ein mutiges Mitglied meines online-Netzwerkes hat sich mal geoutet…. Er war der schlechteste Schüler der Schule… 

Eine schöne Sommerferienzeit! Und für alle, die schon bald ins neue Schuljahr starten: Noten gibt es immer und das nächste Zeugnis kommt bestimmt!

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