Prüfungsangst ist nicht gleich Prüfungsangst

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Prüfungsangst und wie man damit umgeht

Die vielfältigen Gesichter des Schreckgespenstes Prüfungsangst

Schnell fallen Begriffe wie Prüfungsangst und Blackout, wenn mir Schüler immer wieder von ihren Misserfolgen bei Schulaufgaben oder Prüfungen erzählen. Sie lernen und können das Wissen dann nicht abrufen, oder brauchen sehr lange um überhaupt anfangen zu können, dann ist natürlich die Zeit gleich vorbei. Sie VERSTEHEN die einfachsten Aufgaben nicht, oder können kleine Änderungen in der Aufgabenstellung nicht flexibel behandeln.

Wer im Internet nach Hilfe oder Lösungen zu Prüfungsangst sucht, findet viele Tipps. Vor allem Entspannungstechniken werden empfohlen. Autogenes Training vorab, Atemübungen und schnell-cool-down-Übungen. Die Symptome sind sehr oft ähnlich: nichts mehr wissen, Panik macht sich breit, Horrorszenarien laufen im Kopf ab, schwitzige Hände, flacher Atem, erhöhter Puls.

Meiner Erfahrung nach helfen diese Soforthilfeübungen selten. Oft erhöhen sie den Stress noch.

Ich schaue daher ganz genau nach den Ursachen

Das ist gar nicht so einfach, denn sie sind bei jedem Menschen ganz verschieden, doch danach richtet sich die Arbeit.

Eine Gemeinsamkeit haben jedoch meinst auch die Ursachen: alte, negative Erfahrungen kommen hoch und melden sich zu einem Zeitpunkt, zu dem man sie so gar nicht brauchen kann. Wachgerufen durch äußere Umstände, die Ähnlichkeiten derer aus der Vergangenheit haben. Sie können so winzig sein, dass die Betroffenen einen Zusammenhang niemals herstellen würden. Deshalb kommen sie ja auch nicht drauf und stehen diesen Angstattacken und Blackouts und somit der Prüfungsangst völlig hilflos gegenüber. – Tief durchatmen oder Entspannungstechniken sind gut gemeint, helfen vielleicht auch dem ein oder anderen, jedoch werden damit keine Ursachen behoben.

Und wie erkenne ich diese Gespenster?

Als LernCoach frage ich. Erst einmal interessiert mich, wie genau sich diese Prüfungsangst zeigt, wie fühlt sie sich an, wo sitzt sie? Wie sieht sie aus? Und dann möchte ich wissen, ob sie immer in Prüfungssituationen kommt, oder bei bestimmten Themen und Fächern.

Im Gespräch mit dem Coachee fallen mir bestimmte Worte auf, da frage ich weiter. Deshalb kann ich hier gar nicht genau wiedergeben, was ich frage und wohin mich die Spur bringt. Außer: meistens auf den Punkt. Das sehe ich wenn mein Gegenüber mich mit staunenden Augen und Kopfnicken ansieht und bestätigt: „Ja, genau so ist das …“, oder „Ja, das macht Sinn!“

Die Ursachen sind vielfältig:

Manchmal ist es relativ einfach, wenn heraus kommt, das nicht genug gelernt wurde. Das ist ja klar, dass man sich dann nicht sicher ist, ob man alle Fragen und Aufgaben lösen kann. Doch hin und wieder ist auch das eine heilsame Erkenntnis. Es ist nicht nur die Lösung, dann mehr zu lernen, sondern früher zu beginnen (Zeitmanagement) und nachhaltiger zu lernen (Lerntyp, kontinuierlich).

Es kann aber auch sein, dass zwar gelernt wird, doch man sich trotzdem nicht sicher fühlt. Meist handelt es sich dann um Fächer, die einem nicht so wirklich liegen, oder man hat die Themen einfach nicht verstanden. Mit der guten Hoffnung „na … wird schon klappen …“ geht man dann in die Prüfungssituation und schon kommt die Panik auf, weil man ja doch weiß, dass man es nicht kann!

Gemein sind allerdings die stillen, leisen Gespenster, die sich irgendwo noch verstecken und dann kurzzeitig mal ordentlich dazwischen grätschen. Oft sind das Momente oder Personen aus der Vergangenheit, die irgendwie mit dem Thema, dem Fach, dem Prüfer zusammen hängen. Habe ich diese Vermutung, spreche ich das sofort offen an und überprüfe, ob ich auf dem passenden Weg bin. Formuliere ich meinen Gedanken, ernte ich oft ein Staunen.

So einfach kann es sein und so gewaltig kann die Wirkung solcher Verknüpfungen sein.

Ist das Gespenst enttarnt, kann man mit ihm arbeiten

Wie schon gesagt, liegt es am Lernen, kann es relativ einfach behoben werden und dann ist das weitere Arbeitsthema nicht mehr die Prüfungsangst. Allerdings kann es Lernblockaden geben, die sich dann eben in der Prüfungsangst fortsetzen.

Tatsächlich hatte ich schon einmal den Fall, dass das Thema Prüfungsangst dazu diente, das eigene „Nicht-lernen-WOLLEN“ erfolgreichst zu vertuschen. Das sagte ich dem Schüler auf den Kopf zu, er hatte aber keine Lust das zu ändern. Funktionierte ja auch, seine ganze Umgebung hatte Mitleid mit ihm (Eltern, Mitschüler, Lehrer), packten ihn in Watte und er bekam die Zuwendung, die ihm sonst verwehrt geblieben wäre! – Clever! – Damit war meine Arbeit dann beendet. Ich kann nur unterstützen, wenn auch die Bereitschaft dazu da ist.

Handelt es sich um das Verstehensthema arbeite ich daran, was den Lernenden daran hindert, nachzufragen. Mitschüler, Lehrer oder evtl. dann Nachhilfe zu nehmen. Denn ist es nicht verstanden, kann ich es auch nicht wirklich lernen, so dass ich es flexibel anwenden kann. Auswendig gelerntes kann ich nur genau so anwenden, wie ich es eben gelernt habe. Das hat nicht wirklich etwas mit Lernen oder Wissen zu tun. Das funktioniert gut bei Theatertexten! – Da braucht man das auch genau so!

Handelt es sich um so ein „stilles Gespenst“, dann ist die Lösung sehr individuell. Ich enttarne als LernCoach die Verknüpfung und hinterfrage mit dem Coachee die Situation. Ist sie noch aktuell? Gehört sie überhaupt zu dieser Prüfung? Manchmal muss mit dem Gespenst hart verhandelt werden. Letztendlich möchte das Gespenst nur vor Gefahr warnen. Es hat eine positive Absicht. Die jedoch zu erkennen, ist die Herausforderung und das gelingt mit als Außenstehendem viel leichter. In vielen Fällen kann dieses Gespenst dann auch tatsächlich helfen und seine positive Absicht auch wirklich positiv einbringen.

Patentrezepte gegen Prüfungsangst gibt es bei mir nicht

Jeder Mensch, jede Situation, jeder Moment ist einzigartig, wie kann es da ein Patentrezept geben? Meine Neugierde, den Dingen auf den Grund zu gehen hilft mir, auch der Prüfungsangst auf den Grund zu kommen. Natürlich kommen dabei auch Methoden der Entspannung oder mentale Übungen zum Zuge, so wie sie oft empfohlen werden. Ich entwickle sie mit meinem Coachee gemeinsam und wir finden den individuellen, passenden Weg. Die Umsetzung jedoch liegt bei jedem Schüler selbst. Ich kann nur helfen, Wege des Umgangs damit zu finden. Wegzaubern kann ich eine Prüfungsangst nicht, das will ich auch nicht, denn dann würden wir die positive Absicht ja nicht erkennen. Das wäre schade, denn sie hat eine enorme Kraft, die wir nutzen.




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