Warum ich ADHS nicht als Krankheit definiere
Jeder kennt das „Zappelphilipp-Syndrom“, kurz ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Störung). Es handelt sich offiziell um eine Krankheit, die aus einem Sammelsurium verschiedener Symptome besteht, von denen einige zusammentreffen müssen. Schaut man sich diese Symptome in einer Checkliste an, findet man sie an sich selbst auch.
ADHS ist ein höchst umstrittenes Thema, es gibt zahlreiche Publikationen im Netz und als Print. Pro und Contra widersprechen sich häufig. Ich habe meine eigene Meinung dazu und möchte diese hier kurz schildern. Denn ich erlebe immer wieder, wenn ich mit Jugendlichen, auch mit Kindern spreche, die diese Diagnose haben, wie aufmerksam sie mir zu hören und wie sie beginnen, über sich selbst nachzudenken. – Auch wenn es nicht direkt ein „Lernthema“ ist, kommt es im LernCoaching doch sehr häufig vor…. denn es beeinträchtigt das Lernen.
Neuerungen in der Medikamentierung, wie es mir damit geht
Es gibt eine neue Leitlinie für schnellere Verschreibung auch für „mittelschwere Fälle“: In der Süddeutschen Zeitung wurde darüber berichtet.
Wenn ich überlege, wie viele Jugendliche, hauptsächlich Jungen ich mit Medikamenteneinnahme kenne, dann frage ich mich, was „mittelschwer“ bedeutet, denn diese Fälle zähle ich keinesfalls zu „schweren“ Fällen!
Also, jeder, der sich nicht stundenlang konzentriert, ohne mal zum Nachbarn zu sehen oder seine Hausaufgaben nicht in einer Stunde schafft, bekommt ab sofort Medikamente?
Einen ebenfalls kritischen Artikel dazu habe ich HIER gefunden.
Bei ADHS handelt es sich um das meistverbreitete psychiatrische Krankheitsbild bei Kindern! Da stellt es mir alle Haare auf. Auch mit dieser neuen Leitlinie kann ich nicht umgehen! Wenn mir jetzt sofort der Gedanke in den Kopf kommt, dass die Pharmaindustrie mit ihren Lobbyisten dahinter steckt, bekomme ich wohl sofort den Stempel „Esoterikerin“ und/oder „Verschwörungstheoretikerin. Er ist trotzdem da.
ADHS – die erfundene Krankheit
Ein kurzer Ausflug in die große Welt der ADHS: Die oben angesprochene Checkliste gibt einen kurzen Überblick, wann man „ADHS“ hat. Kann jetzt jeder mal für sich selbst kontrollieren. Über die Entstehung ist man sich in der Fachwelt auch äußerst uneinig. Fehler in der Erziehung werden natürlich gerne abgestritten, denn dann hätten wir ja die „Schuldigen“. Leistungsdruck in der Schule will auch keiner wirklich zugeben, denn andere schaffen es ja auch. Wieder keine „Schuldigen“! Dann muss es am Kind liegen. Das ist einfach. Schauen wir ins Gehirn: Dort wird festgestellt, dass es eine Besonderheit im Dopamin-Haushalt gibt. Bei den meisten Untersuchten. – Das ist es! Eine Störung im Gehirn!
Andere gehen von einer Vererbung aus, da es in manchen Familien sehr häufig und auch über Generationen auftritt. Also muss es ein Gen dazu geben. Außer Acht wird dabei gelassen, dass man inzwischen weiß, dass Gene sich im Laufe des Lebens verändern. Jedes Gen hat einen „Schalter“, der durch soziale Erfahrungen aktiviert wird! Vor allem frühkindliche soziale Erfahrungen haben sehr große Auswirkungen. Das ist völlig einleuchtend, denn der Mensch ist von Geburt an ziemlich lange auf die Sippe angewiesen, daher muss er sich an sein Umfeld anpassen.
In unserer normierten und ökonomisierten, effektiven Welt wird die Akzeptanzzone für Kinder immer schmäler. Share on X
Leon Eisenberg (1922 – 2009, US-Amerikanischer Kinder- und Jugendpsychiater) forschte in den 50er und 60er Jahren an diesem Thema und fand heraus, dass der Wirkstoff Methylphenidat (als Ritalin bekannt) diese Kinder „beruhigt“. Nach vielen Jahren, kurz vor seinem Tod äußerte er in einem Interview mit einem Spiegelreporter große Missverständnisse seiner Beobachtung und bedauerte, diesen Wirkstoff nie auch bei „gesunden“ Kindern ausprobiert zu haben. Er betont ausdrücklich, dass das Verschreiben von Medikamenten nicht zu schnell erfolgen sollte und dass die psychosozialen Bedingungen stärker in die Diagnose und das Blickfeld rücken müssen.
Wer noch mehr darüber lesen möchte, kann dies hier:
ADHS – die erfundene Krankheit
Ob es diese „Krankheit“ nun gibt oder nicht, möchte ich hier nicht klären… würde ich auch nicht schaffen. Ich kann nur beschreiben, was ICH mir dazu denke und wie ich mit diesem Phänomen umgehe:
Meine Erfahrung damit
Natürlich gibt es Verhaltenweisen von Kindern, die sich so zeigen und woran man schnell diese „Diagnose“ ableiten kann. Für mich sind alle Kinder individuell. Es gibt ruhige, quirlige, vorsichtige, draufgängerische, laute, leise, schnelle, langsame, impulsive, zurückhaltende…. Alle sind gut, wie sie sind! Manche sind wirklich herausfordernd! Ja, das finde ich auch. Es ist wirklich nicht einfach und so gar nicht bequem. Sie fordern uns ständig, stellen uns auf die Probe und kosten Energie und Aufmerksamkeit.
Als LernCoach habe ich den Luxus, mich dieser „Problematik“ im Coaching in aller Ruhe widmen zu können. In Kleingruppen ist das schon nicht mehr so leicht, doch da ich in meinen Projekten an keinen Lehrplan gebunden bin, kann ich individuell darauf eingehen und mein „Programm“ und den Ablauf meiner Stunden danach ausrichten.
Was ich IMMER bemerke ist, die Zeit, die ich mir für diese Kinder nehme, zahlt sich aus. Die Aufmerksamkeit, die ich ihnen schenke wird dankbar angenommen. Die Beziehung, die ich ihnen anbiete wird immer wieder getestet und geschätzt.
Wenn ich offen mit ihnen über ihr Verhalten und meine Sichtweise dazu spreche, fühlen sie sich gesehen, angenommen und wertgeschätzt. Sie haben doch so oft Gespräche in denen sie hören, wie unmöglich, unpassend sie sind, wie schlimm sie sich benehmen und was sie alles ändern müssen und nicht richtig machen (so sehr sie sich auch bemühen).
Ein Beispiel: Ein Junge (5. Klasse) kommt zu mir. Er nimmt auf einem Drehstuhl platz und erzählt mir grinsend, während er sich sehr schnell auf dem Stuhl hin und her dreht, er habe ADHS. Ich bin beeindruckt und frage ihn, wie sich das für ihn auswirkt; er antwortet mir – weiter drehend und mit viel Bewegung – ausführlich. Ich frage ihn nach seinen Hobbies und erkläre ihm dann, wie ich ihn sehe, und wie ich ADHS sehe. Mir fällt auf, wie sehr seine Verhaltensweisen zu seinen Hobbies passen und wie gut er genau diese Fähigkeiten dort einbringen kann. Er wird fast schlagartig ruhig, sitzt ganz aufmerksam vor mir und hört mir höchst konzentriert zu. Immer wieder bestätigt er meine Ausführung und wir unterhalten uns darüber. Nach ca. 20 Minuten sage ich ihm, dass mir etwas auffällt. Er nickt und sagt: „Ja, ich weiß. Ich bin ganz ruhig und konzentriert.“ Wuppp…. Damit hatte ich nicht gerechnet. Er hat es selbst bemerkt! (Dies ist nur der Anfang einer Reihe von sehr interessanten Coachings)
Wie ich damit umgehe
Im LernCoaching bin ich immer wieder mit ADHS konfrontiert. Besorgte Eltern kommen und möchten, dass ihr Kind sich besser konzentrieren kann. Dass es ruhiger wird, dass es „einfacher“ wird. Ich kann natürlich an den Symptomen herumschrauben und somit dem Kind/Jugendlichen ständig das Gefühl geben, dass es/er nicht richtig ist, nicht ins System passt und dass es/er etwas verändern muss. Konzentrationstrainigs dauern lange und sind in meinen Augen immer eine Sondersituation, die nicht so einfach in den Alltag übertragen werden kann. Zumal mir die meisten erzählen, wie sie sich konzentrieren können. – Natürlich merken sie das nicht, denn es passiert ja selten in der Schule, sondern während ihrer Hobbies.
Ich wähle einen anderen Weg: Ich höre ihnen zu und sehe genau hin, was sie wie machen und ich beachten die Bedürfnisse der Schüler, sowie die Lebensbedingungen! Meine Erkenntnisse erkläre ich ihnen und mache ihnen ihre Situation bewusst. Ich sehe sie als kompetent, sie sind so intelligent! Ich mute und traue ihnen zu, ihre Situation auch selbst in die Hand nehmen zu können, kein „Opfer“ ihrer selbst zu sein, sondern konstruktiv!
Sie denken dann selbst über sich nach, reflektieren und beginnen bewusst zu handeln. Gemeinsam erarbeiten wir Schritte, die sie für sich umsetzen können.
Remo Largo, ein schweizer Kinderarzt und Autor vieler sehr guter Bücher, den ich sehr schätze, hält im Fall von ADHS die Erwachsenen für das Problem.
Für Eltern und andere Erwachsene
Meiner Meinung nach, handeln diese Kinder nur so, weil sie uns auf etwas aufmerksam machen wollen. Ihre Umwelt stimmt für sie nicht. Sie sind über- oder unterfordert. Sie sind einfach nicht interessiert an diesem Thema zu diesem Zeitpunkt. Ich finde es überaus gesund, sich zu wehren. Sie lassen sich nicht anpassen an ein Korsett, sie widersprechen oder laufen davon. Sie machen auf sich aufmerksam, weil sie sich anders nicht gesehen fühlen!
Es ist unsere Aufgabe GENAU hinzusehen. Share on X
Außerdem, zum Thema „Vererbung“: Haben Kinder solche Vorbilder, werden sie sich das Verhalten abschauen. Oft können sie gar nicht ruhig bleiben, weil ihr Umfeld so quirlig ist und ständig etwas anderes von ihnen abverlangt!
Sicher ist es nicht überraschend, dass ich Medikamente nicht für den geeigneten Weg halte. Franz-Horst Wimmer (Polizeibeamter und Drogenfahnder) hat ein spannendes Buch über die Droge Methylphenidat geschrieben. (Ein Gastbeitrag von ihm folgt… )
Dieser Wirkstoff wurde 1944 vom Schweizer Leandro Panizzon synthetisiert; er testete es an seiner Frau (ihr Spitzname war Rita) und stellte beim Tennisspiel eine leistungssteigernde Wirkung fest. – Ritalin war erfunden…..
Es gibt immer wieder Menschen, die es auch ohne ADHS an sich ausprobieren, und in Schulhöfen, Unis und auch Unternehmen wird es gedealt. Alle Medikamente mit diesem Wirkstoff fallen unter das Betäubungsmittelgesetz! – Nebenwirkungen sind nicht selten und für mich schlimmer als die „positive Wirkung“. Ich kenne sehr viele – meist junge Männer, die das Medikament selbst abgesetzt haben, da sie sich selbst nicht mehr kannten. „Ich war nicht mehr ich selbst. Das will ich nicht!“
Ein Artikel zur Leistungssteigerung
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