War RITALIN® der Anfang von steigendem Substanzmissbrauch? (Teil 1)

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Ein bisschen mehr Wissen zu diesem Thema

Im Juli 2018 habe ich einen Artikel über ADHS und meine Meinung dazu geschrieben. Das Thema interessierte mich schon immer, daher habe ich mich auch viel damit befasst. Weniger mit den gängigen Meinungen, mehr mit alternativen Ideen und Gedanken. So lernte ich vor einigen Jahren Franz Horst Wimmer kennen und schätzen. Seine Sicht als Kriminalbeamter in der Drogenfahndung zu diesem Thema stärkte mein Gefühl dazu noch einmal.

Ich freue mich, ihn für diesen zweiteiligen Artikel für Hundert Welten gewinnen zu können. Hier also das Thema ADHS und Medikamentierung von einer anderen Seite:

Deutlicher Anstieg in der Verordnung von Medikamenten

Lassen Sie mich, um die Frage zu beantworten, so beginnen. Im Jahr 1993 wurden nach statistischen Zahlen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 35 Kilogramm METHYLPHENIDAT haltiger Medikamente, wie RITALIN®, MEDIKINET® und CONCERTA® verordnet. Diese Medikamente sind dem Betäubungsmittelgesetz (Anlage III) unterstellt und werden bei ADS, ADHS oder Narkolepsie verordnet.

Behandelt wurden meist Kinder und Jugendliche. Für Erwachsene war die Verordnung nur im Rahmen einer sogenannten OFF LEVEL-Verordnung in Ausnahmefällen möglich, d.h. der Arzt musste die Behandlung besonders begründen und die Patienten mussten die Medikamente selbst bezahlen.

Und obwohl sich ständig Kritik gegen die Präparate regte und die amerikanische Öffentlichkeit bereits im Jahr 1999 demonstrierte, weil man einen Zusammenhang zwischen Amoktaten und der Gabe METHYLPHENIDAT haltiger Pillen vermutete, steigerte sich die Verordnungsmenge bis 2013 auf fast 2.000 Kilogramm.

Auch parlamentarische Anfragen, Erhebungen von Studienvertretungen der Uni Düsseldorf und viele andere Versuche, die maßlose Verordnung betäubungsmittelhaltiger Medikamente mit Amphetamin ähnlicher Wirkung änderte nichts an der stetigen Steigerung der Verordnungsmengen.

Es gehörte schon fast zum Schulalltag, dass Kinder die nicht in die Norm passten, medikamentös behandelt wurden. Zugegeben nach – teilweise – anfänglichen Erfolgen.

Doch bereits im arznei-telegramm Nr. 8/2000 wurde unter dem Titel „METHYLPHENIDAT (RITALIN® u.a. zunehmend überverordnet?“ erste offizielle Kritik durch den neutralen, unabhängigen Informationsdienst für Ärzte und Apotheker publiziert.

Im Hintergrund hitziger Diskussionen gab die EU-Kommission im Jahr 2007 ein zweijähriges sogenanntes „Risikobewertungsverfahren“ zu METHYLPHENIDAT in Auftrag. Im Jahr 2009 wurde das Ergebnis präsentiert und eine EU-Kommissionsentscheidung (Az. Brüssel K (2009) 4242) ließ die Verordnung METHYLPHENIDAT haltiger Arzneien nur noch im Rahmen eines multimodalen Behandlungsansatzes, der neben regelmäßigen Kontrolluntersuchungen, auch Therapieansätze wie Verhaltens-, Ergo- oder Familientherapie, begleitend zu den Medikamenten, zuließ.

Die Fachgesellschaften der Ärzte sowie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte setzen die EU-Kommissionsentscheidung um (Az: 75.07-3822-V-9465-162684/09).

Nun hätte man annehmen können, alles wird gut und die Medikamente, die gemäß dem Annex zur zitierten EU-Kommissionsentscheidung dramatische Nebenwirkungen auslösen könnten – man kann von kardiovaskulärem Risiken, wie Hypertonie lesen, aber auch von psychischer Abhängigkeit bei Langzeitkonsum über 12 Monaten, von TICS, von negativem Auswirkungen auf das Wachstum (Knochen, Geist, Hormone) und von aggressivem Verhalten, von Depressionen und vielem mehr. – würden nur noch in absoluten Ausnahmefällen verordnet. Doch es kam anders!

Immer stärkerer Missbrauch der Substanzen

Kaum schien die Verordnung von METHYLPHENIDAT besser geregelt, wurden die Verordnungseinschränkungen für Erwachsen, in Deutschland, aufgehoben. Erstaunlich, weil gerade Erwachsene unter dem Einfluss betäubungsmittelhaltiger Medikamente strikte Verhaltensregeln einhalten müssen, um bei der Teilnahme am Straßenverkehr und im Arbeitsbereich, zum Erhalt der Arbeitssicherheit, nicht massive rechtliche Probleme zu bekommen (siehe z.B. §§ 316, 315 c StGB, Arbeitsschutzgesetz, Unfallverhütungsvorschriften).

Doch das interessierte offensichtlich kaum jemanden. Im Gegenteil! Viele die die Wirkung METHYLPHENIDAT haltiger Präparate zur missbräuchlichen Steigerung von Konzentration und Leistungsfähigkeit nutzen wollten, taten dies nun und besorgten sich die Mittel sogar oft illegal.

Viele Erwachsene gingen nämlich davon aus, dass betäubungsmittelhaltige Medikamente, wie RITALIN® oder MEDIKINET®, die Kindern in so großen Mengen verordnet wurden, unbedenklich sein müssen und die Wirkung auch zur Leistungssteigerung ohne therapeutische Notwendigkeit nutzbar ist. Dass dadurch Strafgesetze und andere Vorschriften verletzt werden, wissen Viele nicht; anderen ist es egal.

Fakt ist, dass eine betäubungsmittelhaltige Medikamentengruppe millionenfach an Kinder und Jugendliche und ab 2009 auch Erwachsene verabreicht wurden, obwohl – laut EU-Kommissionserhebungen – massiv Risiken nicht auszuschließen sind und viele rechtliche Fußangeln ausgelegt sind, wenn man die Mittel nutzt. Egal ob ärztlich verordnet oder missbräuchlich eingesetzt.

Eltern, die Bedenken gegen die medikamentöse Behandlung anmeldeten wurden, vor der EU-Kommissionsentscheidung, teilweise sogar genötigt, ihre eigenen Kinder – gegen ihren Willen – mit betäubungsmittelhaltigen Medikamenten behandeln zu lassen. Beschlüsse von Behörden unterstützten in Einzelfällen diese Praktiken. Für meine Begriffe ein Skandal, mit dem ich während der Recherchen zu meinen Büchern immer wieder konfrontiert war.

Was ist zu tun, wenn METHYLPHENIDAT therapeutisch angewendet werden soll?

Nun, zunächst sollten sie einen kompetenten Arzt finden, der eine gründliche Anamnese durchführt, Dieser Arzt sollte in jedem Fall viel Erfahrung mit ADS/ADHS haben, therapeutische Alternativen kennen und auch den Mut hat, sie einzusetzen.

Hier möchte ich unbedingt die Anmerkung machen, dass natürlich das Gros der Kinderärzte und Psychiater immer das Beste für Ihre Patienten will. Dennoch machen auch aufgeschlossenen Ärzten die bestehenden Vorgaben der gesetzlichen Krankenkassen das Leben oft schwer, weil die Eltern vieler ADS oder ADHS-Betroffenen nicht über die finanziellen Mittel verfügen, privat zu zahlende Behandlungsalternativen zu bezahlen. Damit werden oft auch die Möglichkeiten der Ärzte eingeschränkt.

Vor der Behandlung sollten Sie sich aber in jedem Fall ausführlich über die Krankheitsbilder, die möglichen Einflussfaktoren von Verhaltensauffälligkeiten informieren und auch „vor der eigenen Türe kehren“. Ich meine damit, dass sie ihren Erziehungsstil, ihre eigenen Ansprüche bezüglich des Verhaltens des betroffenen Kindes, die Ernährungsgewohnheiten, Impfungen usw. überprüfen und dies dem behandelnden Arzt mitteilen.

In meinen Büchern habe ich dazu Listen abgedruckt, die wichtige Fragen zu all diesen Punkten enthalten. Diese Fragen sollten sich für sich beantworten und die Antworten dann mit dem behandelnden Arzt besprechen.

Denn es geht bei der Behandlung mit betäubungsmittelhaltigen Arzneien nicht nur um die möglichen Nebenwirkungen und ihre Wirkungen auf den Patienten, sondern auch um Probleme die durch die Medikamente im Alltag zu lösen sind.

Diese betreffen – wie bereits angerissen – die Teilnahme am Straßenverkehr, die Arbeitssicherheit, Versicherungsfragen, Reisen ins Ausland usw.

Doch auf diesen Themenbereich sowie den Missbrauch betäubungsmittelhaltiger ADS und ADHS Medikamente möchte in in 2. Teil meines Artikels detailliert eingehen.

Im ersten Teil ging es in erster Linie um ärztlich verordnete Medikamente, die dem BtMG unterliegen. Um auf die, im Titel gestellte Frage zu antworten, müssen wir dann allerdings noch auf den steigenden Missbrauch bestimmter Medikamente, u.a. solcher mit dem Inhaltsstoff METHYLPHENIDAT eingehen.

ISBN: 978-3-00-032476-5 – Restexemplare über f.h.wimmer@gmx.de

Bis zum 2. Teil brauchen Sie noch etwas Geduld.

Diejenigen aber, die ungeduldig sind, können sich aber schon auf meiner Homepage über weitere Aspekte informieren (www.Franz-Horst-Wimmer.de).

© F.H. Wimmer – Kriminalbeamter a.D. / Buchautor „AD(H)S-METHYLPHENIDAT-KRIMINALITÄT?“ für Hundert Welten

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